Oscar Ledesma

Artist & Gallerist & Curator

Spielerische Kunst – Über Silvia Liebigs Arbeit

Spielerische Kunst
oder Die Kunst, zu spielen.

Die Arbeiten von Silvia Liebig ermöglichen in vielen Perspektive und Formen, in denen man sie betrachten kann, verschiedene Interpretationswege. Auf dem ersten Blick erscheinen sie als große Spielzeuge oder lustige Umsetzungen eines Sujets, sind aber anderseits auch Objekte mit vielen komplexen Implikationen und konzeptionellem Hintergrund. Sie funktionieren auf vielen verschiedenen Ebenen.

Ein gutes Beispiel hierzu ist ihre Installation einer Picknikgesellschaft.

Als ich mit Silvia über diese Arbeit sprach, erklärte Sie mir ihre Gedanken hinter dem Kunstwerk – als eine Frage, die hinter dem Ganzen steckt:

“Sind wir noch fähig, uns miteinander zu unterhalten? Oder bestehen unsere Konversationen inzwischen nur noch aus immer wieder abgespulten Monologen? Jeder will erzählen, keiner mag mehr richtig zuhören – ist das so?”

Als amüsanten Kommentar lässt Liebig daher jeden ihrer drei transparenten Charaktere der Picknickgesellschaft über etwas anderes plaudern. Die eine Figur äußert deftige Magengeräusche, die zweite kommuniziert in Allgemeinplätzen, die dritte wiederholt kontinuierlich schnell geschnittene Werbebotschaften.

Erzählen Sie dann alle drei gleichzeitig, ergeben Sie irgendwie den Hintergrundsound zu einer gelungenen Party.

Ich hatte sofort das Gemälde “Das Frühstück im Grünen” von Manet im Kopf. Auf ihm zu sehen sind zwei nackte Frauen, die zusammen mit zwei (angekleideten) Männern eine Picknikgesellschaft bilden. Und dann stellte ich mir, eher spielerisch, die Frage: Wie viele nackte Frauen sind eigentlich in einem durchschnittlichen Museum zu sehen? Und wie viele nackte Männer?

Auch Ihre Arbeit “pulp pistols” regt den Betrachter zum Nachdenken an. Die Künstlerin selbst sagt über ihre Arbeit folgendes:

“In Deutschland besitzen rund 2,5 Millionen Menschen legal eine Waffe. Vermittelt eine Waffe das gewünschte Gefühl der Sicherheit oder entwickelt bzw. erhöht sich die Gefahr durch ihren Besitz? Die Installation „pulp pistols“ ist ein ironisches Statement zu dieser Frage.
Hier gibt es die Waffe zum Kuscheln, zum Spielen, zum beruhigt-auf-ihr-Einschlafen. Und sie bringt auf den Punkt, was offensichtlich ist: eine
Waffe ist nutzlos bei der Bewältigung von Ängsten”.

Das erinnerte mich ganz stark an eine der berühmtesten Kurzgeschichten der im Juli 2014 gestorbenen Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer. Sie erzählt in ihrem Buch “Die sanfte Stimme der Schlange” von eine Familie, die mit einem kleinen Kind in Südafrika während der Apartheid lebt. Der Vater ist besessen vom Wunsch nach Sicherheit, kauft Waffen, legt sich ein paar Hunde zu, installiert teure Alarmsysteme, sowie einen Panic Room und errichtet zum Schluss sogar eine hohe Mauer rund um sein Grundstück und krönt das ganze mit einem Haufen Stacheldraht. Was als stark gesichertes Zuhause beginnt, endet als ein kleines Gefängnis. Das Ende der Geschichte ist leider nicht ganz so schön,…..

Ich persönlich habe auch ein gespanntes Verhältnis zum Thema Waffen und Waffenbesitz. Ich kann mir eine Waffe nicht als ein Objekt zum Kuscheln vorstellen; ich glaube, man kann mit Waffen keinen Frieden schließen, auch nicht, wenn sie aus kuscheligem Stoff bestehen. Daher geht es für mich bei der Installation “pulp pistols” von Silvia Liebig auch nicht um Verniedlichung, sondern ich begreife sie als eine ironische Umsetzung. Waffen sind sowohl als Objekt, als auch in der Abstraktion gänzlich nutzlos um Sicherheit oder Frieden zu bringen, Sie haben nur einen Zweck, Sie verbreiten Angst, Schrecken und den Tod.

So sind die Arbeiten von Silvia Liebig: Sie lassen viel Platz für Interpretationen. Mann sollte, ja man muss fast die Bilder und Objekte mehrmals betrachten. Dann stellt sich automatisch die eine Frage: Ist das, was ich betrachte, auch wirklich das, was ich sehe? Oder gibt es Details die ich vielleicht übersehe? Mein Paradebeispiel für dieses Phänomen ist ihre Arbeit “Poor Patterns”, aber in diesen Fall will ich nicht schon zu viel verraten; man muss Ihre Arbeiten einfach selbst betrachten!

(text Oscar Ledesma)